Ernst Plischke - Architekt zwischen den Welten
Die wunderbare Gelegenheit, Ernst Plischkes Haus Frey in Graz (1970–73) zu besuchen, ist verbunden mit der Möglichkeit für den Historiker, Plischkes Leben und Werk zwischen Wien und Neuseeland in einem knappen Bogen zusammenzufassen, und, wo es angebracht ist, auf das Haus Frey zu beziehen. Dieser Bezug ist deshalb besonders ergiebig, weil das Haus Frey eine Kumulation der Baugedanken Plischkes darstellt, und die fast einzige gebaute Manifestation seines doppelten Architekturtransfers darstellt – zuerst von Wien nach Wellington in Neuseeland, und dann zurück nach Österreich.
Plischke, der mit seiner Frau Anna 1939 Österreich verließ, um in Neuseeland vor den Nationalsozialisten Zuflucht zu suchen, nahm den Auftrag der Moderne sehr ernst, die Architektur nicht nur zu verändern, sondern mit ihr auch die Lebenshaltung der Menschen zu verbessern. In diesem Sinne blieb er sein Leben lang ein Modernist.
Plischke hatte 1932 einen Beitrag zur Werkbundsiedlung in Wien leisten können, und er hatte das Glück, in Neuseeland schon kurz nach seiner Ankunft 1939 von seinem Chef Gordon Wilson den Auftrag für einige Doppelhäuser am Rande Aucklands erteilt zu bekommen. Dies bot ihm die Chance, seine Lösung für die Wiener Siedlung in die Antipoden zu transferieren. Er machte sich mit viel Elan an die Arbeit, musste aber bald feststellen, dass grundsätzliche Differenzen bestanden über die Art und Weise der Ausführung von Wohnbauten. Dazu kam, dass im Krieg die Material- und Geldknappheit auch im fernen Neuseeland ihren Tribut forderte. Die Häuser wurden gebaut, aber in sehr veränderter Form gegenüber Plischkes ursprünglichen Absichten. Diese Häuser können als beispielhaft gesehen werden für Plischkes Versuch, die Moderne, so wie er sie verstand, nach Neuseeland zu bringen, und für die Gelegenheiten und Schwierigkeiten, auf die er dabei stieß. In seinen zahlreichen Tagebucheintragungen und Briefen der Jahre nach 1939 beklagt er immer wieder sein Schicksal und die Unfähigkeit, tatsächlich etwas Wegweisendes zu bewirken. Wenn man aber über seine durchaus berechtigten Klagen hinweg sieht, so gelang es Plischke dennoch in beeindruckender Weise, die (Nachkriegs-) Moderne in Neuseeland zu prägen. Dies wird besonders deutlich durch ein Sonderheft der Londoner Zeitschrift Architectural Review, das dem gesamten Commonwealth gewidmet war und in dessen neuseeländischem Abschnitt Plischkes Arbeiten, vom deutsch-britischen Historiker Nikolaus Pevsner mit ausgewählt, überproportional vertreten waren.
Plischke hatte in seiner neuseeländischen Zeit in verschiedenster Weise die Gelegenheit, seine Vorstellungen vom Wohnen immer wieder neu zu artikulieren, und er fand etwa in den im typischen Material Holz errichteten Häusern Lang, Sutch und Giles, sowie in dem wunderbaren – und in seiner Verwendung von örtlichem Feldstein untypischen – Haus Henderson in Alexandra, Central Otago, auf der Südinsel, immer wieder neue Antworten auf die ihm so wichtige Verbindung des Hauses mit seiner Umgebung.
Diese Lehren, zusammen mit einer Übernahme von Adolf Loos’ Raumplan – ganz gegen Plischkes erklärte Abneigung von Loos’ Arbeiten – ermöglichten ihm, im Haus Frey in Graz in einzigartiger Weise einen räumlich komplexen Innenraums mit einer engen Verbindung von Innen- und Außenraum zu entwerfen. Ein solches Haus gibt es nicht von Loos, nicht von Le Corbusier, und nicht von Mies van der Rohe. Haus Frey ist in dieser Hinsicht einzigartig, und es gebührt ihm dadurch eine besondere Stellung in der späten Moderne.
Text: Christoph Schnoor